Montag, 6. September 2010

Insel im Strom

Die vielleicht großartigste Möglichkeit auch in der größten Hitze stilvoll gekleidet zu sein, bietet das Guayabera. Die Großartigkeit dieses karibischen Hemdes, dessen Wurzeln in Mexiko oder noch wahrscheinlicher Kuba liegen, beruht zu großen Teilen darauf, dass es mit allem bricht, was ansonsten nahezu unumstößlich für Hemden gilt.
Kein Mann sollte kurzärmlige Hemden tragen - bei Guayaberas ist dies sogar die klassischere Variante.
Ein Hemd sollte immer in der Hose getragen werden - ein Guayabera wird niemals in der Hose getragen.
Ein Hemd sollte möglichst gar keine Tasche besitzen - ein Guayabera besitzt mindestens zwei, eher vier Taschen.
Mann sollte niemals hemdsärmelig auftreten, über ein Hemd gehört eine Jacke - über einem Guayabera eine Jacke zu tragen, wäre nahezu unverzeihlich.
Natürlich ist ein Guayabera auch nicht Bestandteil des, sagen wir, klassisch-britischen Dresscodes. Aber es trägt nicht umsonst auch den Namen Mexican Wedding Shirt - in Mexiko nämlich ersetzt es auch und gerade zu Hochzeiten ohne Weiteres den Anzug. Ebenso in Zimbabwe. In Puerto Rico gehört es zur Nationaltracht und in Kuba, Jamaika und Trinidad ist selbstverständlicher Bestandteil der männlichen Businesskleidung. 
Und ein Kleidungsstück, das in so vielen Ländern äquivalent zu Anzügen und in einigen sogar äquivalent zum Cut getragen wird, kann bei entsprechenden Temperaturen auch in Europa zumindest als Freizeitkleidung auch dann ruhigen Gewissens getragen werden, wenn man sonst nie auf die Idee käme, die Jacke abzulegen, nur weil die Sonne scheint. Lässiger kann man den letzten Sonntag des Sommers kaum begehen.

(Im Bild: Ernest Hemingway im Guayabera vor einer karibischen Bucht)



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